Steinerne Zeugen bewegter Zeiten - unsere Kloster-Tour durch Bulgarien

Steinerne Zeugen bewegter Zeiten - unsere Kloster-Tour durch Bulgarien

Für die Bulgaren sind ihre orthodoxen Klöster und Kirchen mehr als bloße Orte und Symbole ihrer Religion. Vor allem die Klöster gelten in ganz Bulgarien außerdem als historische Keimzellen und zum Teil bis heute erhaltene lebendige Stätten bulgarischer Kultur. Die zumeist in den Gebirgen des Landes gelegenen Hochburgen und Festungen christlicher Gottesfurcht leisteten ab dem frühen Mittelalter einen wichtigen Beitrag zum Wohlstand und zum Wachstum des Landes. In der langen Zeit der osmanischen Fremdherrschaft entwickelten sie sich darüber hinaus zu Zentren des Widerstands, die das Licht der bulgarischen Unabhängigkeit auch in der dunklen Nacht türkischer Unterdrückung leuchten ließen.

Folgen Sie uns auf eine kleine Klostertour durch Bulgarien. Entdecken Sie die faszinierende, farbenprächtige und architektonisch auf einzigartige Weise interessante Welt der bulgarischen Klöster, und erfahren sie dabei mehr über deren Geschichte, ihre Kunstschätze und ihre heutige Bedeutung als kontemplative und touristische Highlights.

Die Geschichte der Klöster Bulgariens - von der Völkerwanderung bis zum Kommunismus

Rund 120 Klöster gibt es heute noch in Bulgarien. Über das gesamte Land verteilt, sind einige von ihnen bis in unsere Tage von Mönchen bewohnt, die dort weiterhin ihre durch die Jahrhunderte unveränderten Rituale pflegen, ihre Choräle in heiligen Gewölben und über sonnige Felsenhöhen hinweg erklingen lassen. Andere wiederum stehen seit langer Zeit verlassen, werden wenn überhaupt nur noch von einem Eremiten oder einem Klausner bewohnt. Jedes dieser Klöster ist auch deshalb ein so elementarer Bestandteil der bulgarischen Volkskultur, weil sie alle gemeinsam zu den wenigen Konstanten in der bewegten und an Ereignissen und Veränderungen reichen bulgarischen Geschichte zählen. Die ältesten Klöster sind sogar älter als Bulgarien selbst. Bereits im 3. Jahrhundert nach Christi Geburt - und also mehr als zweihundert Jahre vor der ersten Gründung des Großbulgarischen Reiches im Jahre 632 - kamen im Zuge der Völkerwanderung Christen aus Vorderasien in das Gebiet des heutigen Bulgarien. Unter ihnen viele besonders fromme Männer auf der Suche nach betont abgeschiedenen Orten, an denen sie Ordensgemeinschaften gründen wollten, um sich ganz dem Gottesdienst, dem Studium heiliger Schriften und den Tugenden der Arbeit und des Gebetes zu widmen. In den wilden und zu dieser Zeit oft noch völlig unberührten Landschaften der bulgarischen Gebirge mit ihren natürlichen Höhlen wurden sie nach langer Wanderschaft fündig.

Die Zeit des Mittelalters: Klöster entwickeln sich zu kulturellen Institutionen

Mit dem Beginn des Mittelalters hatten sich aus vielen dieser zuerst recht kleinen Gemeinschaften bereits prosperierende Abteien gebildet, die ihre Bedeutung durch zum Teil prächtige Bauten und Befestigungsanlagen sowie durch aufwendige Gestaltung ihrer Kirchenräume unterstrichen und mehr und mehr zu wirtschaftlichen und kulturellen Bezugspunkten der Dörfer und Ansiedlungen in ihrem Umland avancierten. Auch die Mönche mauserten sich im Laufe der Zeit von einfach nur gottesfürchtigen und belesenen Männern zu einer Art praktischer und geistlicher Universalgelehrter. Die Bauern und die einfachen Landleute brachten ihnen Kranke zur Behandlung, lernten Kräuterheilkunde, Destillation und Konservierung verschiedener Lebensmittel von ihnen.

Es waren auch zwei Mönche, die den Bulgaren ihre eigene Schriftsprache gaben. Um 900 herum schufen die beiden Brüder hl. Method und hl. Kyrill auf eine Anregung des Kaisers Konstantin hin ein eigenes, von der griechischen Schriftsprache unabhängiges Zeichensystem für die Notation slawischer Sprachen - das kyrillische Alphabet. Darüber hinaus entwickelte sich mit der orthodoxen Ikonographie spätestens ab 1000 in den Klöstern eine sakrale Kulturtechnik zur Heiligenverehrung und zur Illustration biblischer Geschichten. Vor allem nahe zu Städten gelegene Klöster funktionierten zudem als blühende Universitäten für Künste, Literatur und Wissenschaften und setzten so entscheidende Impulse für die Bildung der hochmittelalterlichen bulgarischen Gesellschaft, die zwischen dem 12. und dem 14. Jahrhundert eine Blütezeit erlebte.

Auf der Höhe des Mittelalters waren die bulgarischen Klöster also längst ein eigenes, tief in der bulgarischen Nation verwurzeltes Referenzsystem geworden. Mit der zum Ende des 14. Jahrhunderts beginnenden Herrschaft der osmanischen Nachbarn über Bulgarien ergab sich jedoch eine jähe Zäsur. Eine Zäsur, die über fünf Jahrhunderte lang andauern sollte und während derer die Besatzer immer offener die Ausübung der christlichen Religion verhinderten und die Bulgaren mit drakonischen Schikanen wie dem Blutzoll - der Abgabe des Erstgeborenen an die türkische Armee - unterdrückten.

Die osmanische Fremdherrschaft: Widerstand hinter Klostermauern

Viele Klöster wurden in der Zeit der osmanischen Besetzung Bulgariens zerstört. Als Muslime hielten die fremden Herrscher damals zum einen nicht viel von christlichen Gemeinschaften. Zum anderen waren ihnen die Klöster als Zentren des zähen, langlebigen und leidenschaftlichen bulgarischen Widerstands ein Dorn im Auge. Denn allen Bulgaren voran die orthodoxen Mönche und Popen dachten in der Mehrzahl nicht daran, sich den andersgläubigen Osmanen zu unterwerfen. Stur und ohne Rücksicht auf Repressalien und Bedrohung beharrten sie auf ihrer Rolle als geistige und kulturelle Führer des bulgarischen Volkes, das es ihnen mit glühender Verehrung dankte. Durch diese Sturheit blieb trotz der viele Jahrhunderte währenden Fremdherrschaft und kulturellen Unterdrückung fast alles von dem erhalten, was bulgarische Traditionen sowie ganz allgemein das Land Bulgarien bis heute ausmacht.

Erst 1878 erlangte Bulgarien nach zahlreichen Aufständen und Kämpfen schließlich seine Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich. Aber mit den Balkankriegen und der Mazedonien-Frage, mit Erstem und Zweitem Weltkrieg sowie der sich anschließenden Phase des Kommunismus in Bulgarien hatten auch und gerade die Klöster erneut schwere Zeiten zu bestehen. Während der religionsfeindlichen Jahrzehnte der Sowjet-Herrschaft wurden viele Kirchen und Klöster abgerissen, zugemauert oder fielen - wie die in einem Stausee untergegangene Kirche des Dorfes Zapalnja im Tal der Rosen - kommunistischen Prestigeprojekten zum Opfer. Mit der Geburt des neuen Bulgarien im späten 20. Jahrhundert brach jedoch eine Zeit an, in der die Klöster sich als Symbole kultureller Identität allgemeiner sowie staatlicher Beliebtheit erfreuen können.

Unsere Klosterroute: Bulgariens Klöster als inspirierende Reiseziele

Wenn Sie die bewegte Geschichte Bulgariens und seiner Klöster am liebsten nicht nur lesen, sondern ganz hautnah erleben möchten, empfehlen wir Ihnen, bei Ihrer nächsten Bulgarien-Reise unserer kleinen, nachfolgend vorgestellten Klosterroute zu folgen. Als Startpunkt haben wir das im Nordosten, nahe der Grenze zu Rumänien gelegene Dorf Bassarbowo gewählt.

Das Höhlenkloster Bassarbowski: Wo Glockenturm und Fels aus einem Guss sind

Denn nahe dieses Dorfes, im Tal des Flusses Rusenski Lom, liegt inmitten der südlichen Ausläufer des Balkangebirges das dem hl. Dimitar Bassarbowski geweihte Höhlenkloster Bassarbowski. Spektakulär in den Berg und seine natürlichen Höhlen hineingebaut ist vor allem sein an schroffe Felsen geschmiegter Glockenturm eine unbedingte Sehenswürdigkeit. Im über serpentinenartig in den Fels geschlagene Steintreppen zu erreichenden, üppig begrünten Hof des Klosters befindet sich ein Brunnen, dessen Wasser heilsame Kräfte nachgesagt werden. Das Höhlenkloster mit der Felsenkirche und seinen zahlreichen über Treppen miteinander verbundenen Gelassen direkt im Fels zu erkunden, ist ein unvergessliches Erlebnis für sich. Heute lebt nur noch ein Mönch als letzter Hüter des Klosters und als Bewahrer der orthodoxen Tradition hier. Dennoch ist der Ort inklusive seiner bemerkenswert vielfältigen, auch das Äußere verschiedener Gebäude schmückenden ikonischen Wandmalereien sehr gut erhalten und gepflegt.

Der Legende diente der heutige Platz des Klosters bereits frühen Christen als Zuhause ihrer geistlichen Gemeinschaft, war dann aber lange Zeit verlassen, bis ihn schließlich hl. Dimitar Bassarbowski beim Hüten seiner Ziegen entdeckte und im Sinne des klösterlichen Dienstes am Herrn reaktivierte. Erstmals urkundlich erwähnt wird das Kloster Bassarbowski als Ansiedlung bereits in einem osmanischen Steuerregister aus dem 15. Jahrhundert.

Die Felskirchen von Iwanowo: Archaische Zeitzeugen der frühen Christenheit

Ein nicht weniger aufregendes, auf seine Weise noch deutlich urtümlicher anmutendes Erlebnis ist der Besuch der nur etwa 15 Kilometer von Bassarbowo entfernt gelegenen, schon 1976 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärten Felskirchen von Iwanowo, die in ihrer Vielfalt und miteinander verbundenen Gesamtheit das Kloster Iwanowo bilden. Hier wird der Begriff Felskirche plastisch erlebbar, denn trotz ihrer Bearbeitung und Anpassung durch den Menschen wirken die als Altar-, Funktions- und Gemeinschaftsräume gestalteten Höhlen weitgehend roh und naturbelassen. Weltweit einmalig sind die zahlreichen Fresken, die zum Teil noch aus der Zeit der ersten Besiedlung dieser Höhlen durch syrische Eremiten im 12. Jahrhundert stammen und eine sehr frühe Entwicklungsstufe orthodoxer Ikonographie sichtbar machen. Die wichtigste und zentrale Kirche im Ensemble der Felskirchen ist die Felskirche der Jungfrau Maria.

Das Preobrazhenski-Kloster: Nahe der Hauptstadt des Zweiten Reiches

Ebenfalls im südlichen Balkangebirge, nur sieben Kilometer außerhalb von Veliko Tarnovo gelegen, der alten Hauptstadt des Zweiten Bulgarischen Reiches, findet sich das der Verklärung Christi geweihte Kloster Preobrazhenski. An diesem direkt an einer steilen Felswand gelegenen Ort entfaltet sich die ganze Strahlkraft orthodoxer Klosterkultur in einer Gruppe architektonisch einmaliger Gebäude, die sich effektvoll in die zerklüftete Landschaft einfügen. Zum Inventar des Klosters gehören kunsthandwerkliche Schätze von unermesslichem Wert, darunter zahlreiche vor der Erfindung des Buchdrucks von Mönchen per Hand skribierte und illustrierte Folianten.

Die kontemplative Atmosphäre des Ortes lebt bis heute fort, das Kloster und die umgebende Natur, die Berge und Wälder atmen eine Art gemeinsamer monastischer Ruhe, die sich auf reizvolle Weise mit dem milden südeuropäischen Klima und der reichhaltigen Flora und Fauna vermengt.

Das Kloster Rila: Geistliche Trutzburg der bulgarischen Nation und UNESCO-Weltkulturerbe

Das im südwestlichen Bulgarien gelegene Rila-Gebirge ist die Heimat des Klosters Rila, welches während der Zeit der osmanischen Herrschaft das Epizentrum des klösterlichen Widerstands bildete. Im 10. Jahrhundert gegründet gilt es bis heute als das bedeutendste und größte Kloster des Landes, es gehört zum UNESCO-Welterbe. Im Laufe seiner Geschichte wurde das Rila-Kloster mehrfach zerstört, zuletzt durch ein Feuer im Jahr 1833. Seine heutige Gestalt entspricht dem Neubau ab 1834. Lediglich ein einzelnes Gebäude, der berühmte Chreljo-Turm, stammt noch aus der ursprünglichen Bauzeit. Als größte Attraktion des Klosters gelten neben seinem imposanten Anblick vor der Kulisse des Rila-Gebirges und seiner weltweit beispiellosen Architektur die Ikonostase und der Narthex in der Hauptkirche, die nach einhelliger kunsthistorischer Lehrmeinung ein ganzheitliches und vielseitiges Panorama der bulgarischen Kunst im gesamten 19. Jahrhundert darstellen. Unter den von den Künstlern thematisierten Sujets befinden sich auch Szenen, die direkt Bezug auf die damalige Erneuerung der bulgarischen Nation, auf den Kampf gegen die türkische Herrschaft nehmen.

Für fast alle Bulgaren ist das Rila-Kloster deshalb ein Symbol ihrer nationalen Identität, der Unbeugsamkeit der bulgarischen Seele. Denn so oft es auch zerstört, unterdrückt oder niedergebrannt wurde - es ist stets wie ein Phoenix aus der Asche wieder neu erstanden. Außerdem wurden seine ersten Fundamente an der Stelle jener Höhle gelegt, in der niemand Geringeres als hl. Iwan Rilski eine Zeitlang lebte - der erste bulgarische Einsiedlermönch, bedeutendste Patron der bulgarisch-orthodoxen Kirche, Gründer und erster Bewohner des Klosters Rila.